Treffen vom 7. November 2004 und vom 8. Januar 2005. Thema: Auferstehung III
 

Gelesen und besprochen wurde Johannes 20, 19-23: Jesus erscheint dem Kreis der Jünger

Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen. Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.



Vorab noch einmal eine kleine Wiederholung zum Kultschema:

 

2. Woche, 1. Tag:

Nach ausgelassener Feier in der ersten Woche eine 180-Grandwende, denn nach dem vollen Erfolg kann nur noch der Zusammenbruch kommen. Die Tage werden kürzer, die Sonne gibt ihren Schein nicht mehr (es wird Winter, und mit diesem kommen im Orient die Wolken), Finsternis bedeckt die Erde, Winter-Regenflut (Äcker sind überflutet).

Es herrscht existentielle Not, die Israel kultisch für die Völker nachspielt. Im Hintergrund steht Hungersnot, auf diese Weise wird der Zusammenbruch erfahren, danach kommt der Tod.

Das Gegenteil der Hungersnot ist Hoffnung. Der König ist dazu da, sich diese Nöte aufzuladen. Er geht nun ins Allerheiligste, wo er bis Mitternacht klagt. Die draußen im Tempelvorhof wissen das. Und wenn die Nacht im Lauf ihre Mitte erreicht hat und Finsternis alles umfasst, dann wird die Lade genommen und ins Gehennertal abgestiegen, wo der Feind liturgisch dargestellt sein Lager hat. Der Kampf wogt hin und her, bis zum Morgen. Dann kommt das Licht, das die Finsternis besiegt. Die Flut wird gespalten (Verdunstung). Die Feinde werden gefangen genommen, und die Mächte und Gewalten müssen dem Gottherrn huldigen. Das ist der Tag, an dem die Welt gemacht wird.

 

2. Tag:

Der König wird vorgeholt und investiert: er wird gebadet in dem nun guten Wasser; er wird gesalbt mit Olivenöl, das für den fetten Erfolg steht, jetzt ist er Messias, Gesalbter; er bekommt das linnene Gewand, wird gegürtet, bekommt den Weihreif (der blüht), den Purpurmantel (Symbol für die Weltherrschaft) und das Szepter (= Hirtenstab). Dann wird er auf den Thron gesetzt und die Feinde werden zum Schemel seiner Füße gemacht.

 

3. Tag:

Er wird hinausgeführt für das Volk: „Da euer König!“ Und die Menge schreit: „Unser König, unser Leben!“.

Es gibt dann ein Mahl, das den Hunger stillt (=> keine Hungersnot mehr).

 

4. Tag:

Israel wird bestellt, ein Segen (= Zeichen) zu sein für die Völker, denn die wissen mit dem Tod nichts anzufangen. Ihnen soll gezeigt werden, dass man sterben kann und leben.

 

Exkurs:

Der Tod ist ein Ereignis der Begegnung mit Gott (im Sterbevorgang).

Einwand: was ist mit denen, die plötzlich sterben, ohne irgend etwas mitzubekommen?

Antwort: selbst bei denen. Was wissen denn wir, was mit uns im Moment des Todes nicht noch passiert?

Exkurs Ende

 

Jetzt zur Evangeliumsstelle des heutigen Tages:

 

Am Abend des ersten Tages: im Kultschema sind wir jetzt am dritten Tag, weil der erste Tag der Woche von Karfreitag an gerechnet der dritte Tag ist. Am dritten Tag des Kultschemas wird der König hinausgeführt (siehe oben).

 

aus Furcht vor den Juden: gemeint sind die Vorsteher, die Regierenden, die Jesus zu Tode gebracht hatten. Nicht Israel, das Volk Gottes, sondern das politische Judentum


Jesus kam
: kommen ist das Gegenteil von ausfahren (zu einer Unternehmung). Die Ausfahrt war, als Jesus nach Jerusalem ging. Man kommt mit einem Ergebnis. Hier: die Macht des Todes ist gebrochen. Die Jünger sind die, die noch in den Tod gehen. Sie fürchten den Tod von den Juden her. Das Ergebnis wird sein: keine Angst mehr vor dem Tod. (Wir gehen durchs Leben und haben im Grunde Dauerangst vor Leiden, Sterben und Tod)

 

Jesus trat in ihre Mitte: eigentlich steht da: er erstand als ihre Mitte, er erstand in ihre Mitteschaft. 

 

sagte: gr. legein => Bundesdrama wird in den Blick gerückt

 

Friede sei mit euch: Friede (Shalom) = 7 = 4 (4 Himmelsrichtungen, Adama, Güter, Produktion, Staatswesen) + 3 (Solidargemeinschaft), d.h. Güter werden in Solidargemeinschaft verzehrt (= Mahl). Friede bedeutet ungekratztes Leben. Solange aber Todesangst ist, ist kein Friede. „Friede sei mit euch“ eröffnet eine Mahlgemeinschaft, wie im Kultschema am dritten Tag. Was aber ist die Speise, was der Trank? Er selbst. Es wird Gemeinschaft mit ihm empfangen. Durch die Anwesenheit Jesu, mit seiner Gegenwart, wird deren Hunger gestillt.

 

Exkurs:

Wir müssen davon ausgehen, dass Jesus ihnen tatsächlich erschienen ist. Sie nehmen ihn physisch war, darum kommt man nicht herum. Es gibt keine Möglichkeit, dies anders zu deuten, auch nicht bei historisch-kritischer Bibelauslegung. An den Berichten ist nicht zu zweifeln. Rein naturwissenschaftlich ist keine Erklärung möglich. Selig sind die, die nicht sehen und doch glauben.  Aber: er ist nur denen erschienen, die an ihn glaubten, nicht allen Hottentotten.

Exkurs Ende

 

sie freuten sich: „Freude“ empfindet man in der Bibel beim Anblick der Ernte, des Essens („Wonne“ beim Genuss, „jauchzen“ tut man im Sieg (wenn ein Tor gefallen ist), „jubeln“ tut man über Beute). Sie freuten sich darüber, dass er da ist, als wie eine Speise, die den Hunger stillt. Alle anderen Speisen werden nicht gering geschätzt, aber sie sind nachrangig gegenüber dem Entzücken über den Auferstandenen

 

Herr: Herr über Hunger und Tod. Das ist der Inbegriff seiner Herrschaft. Allerdings nicht aus eigener Kraft, sonder Gott hat ihm die Feinde besiegt und die Herrschaft übertragen. Es handelt sich um abgeleitete Herrschaft. Wenn Jesus der Herr ist, dann ist der Knecht der Tod. Der muss dienen.


Exkurs:

Die Macht des Todes ist gebrochen. Das Sterben ist nicht mehr sinnlos. Die Jünger gehen jetzt mit vollem Einsatz ins Martyrium. Man kann den Tod nicht wegputzen. Erklärung hast du keine. Aber Flügel hängenlassen? Nein! Der Tod ist ein Durchgang, wie die Geburt. Der Tod ist keine Fortsetzung des hiesigen Lebens, nur ein bisschen schöner, sondern ein Ereignis, und zwar der Gotteserfahrung. Den Gestorbenen muss man nicht nachweinen, denn sie haben uns etwas voraus: sie wissen, wo sie hingehören.
Man soll sich seines Glaubens nicht schämen, sondern eine sanfte Überlegenheit gegenüber den armen Teufeln verspüren, die das nicht haben.
Exkurs Ende

Noch ein Exkurs:
Zum Thema Flutkatastrophe in Asien: Das was da passiert ist, kann kein Mensch verstehen. Wer fragt: wo warst du, Gott? - der meint den idealen Gott. Wenn nicht Idealismus zur Deutung der Welt herhalten soll, was denn dann? Existentialismus. Gott ist ein lebendiger Gott. Leben heißt Zusammenhalt der Vielen in der Stunde der Not. Die Vielen strampeln in der Not, aber machen eine Erfahrung der Solidarität. Viele Gegensätze flattern weg in der Notsituation, in der alle in einem Boot sitzen. Wer so die Weltverhältnisse sieht, der lebt existentiell. Ich stürze mich hinein ins Getümmel, und es wird mir eine Begegnung abverlangt. Einen Sinn kann man in der Katastrophe nicht finden. Das ist halt so. Es gibt nichts zu verschönern.
Der ideale Gott ist ein Monster. Für die reale Welt, diesen Sauladen, haben wir keine Erklärung. Allmächtiger Gott bedeutet aber vielmehr, dass er alles, alle Dinge dazu bringt, zu Gute zu kommen. Gott schaffte heißt nicht: erschaffen aus dem Nichts, sondern etwa wie wenn man sagt "den habe ich geschafft", und zwar dahingehend, zu Gute zu kommen. El wird dann zu Elohim. Das wäre die Lösung des Unheils der Welt. Wer sich der verschreibt, der findet weg von der Sinnleere des Lebens.
Exkurs Ende

gesandt: er ist der Gottesknecht (der Herr sendet seinen Knecht)

 

... so sende ich euch: steht nicht im Original da! Da stehen tut „schicke“ ich euch. Schicken drückt ein inniges Verhältnis aus, so wie der Kopf die Hand schickt; sie sind mit ihm so verbunden, dass sie die ausführenden Organe sind. Das Bundesverhältnis ist hoheitlicher, aber distanzierter.

 

empfangt den heiligen Geist: "Geist": Zumutung des Herrn an den Knecht in der Stunde der Berufung. Geist Gottes, vermittelt durch Jesus. Jesus ist der Mittler des Bundes.
"heilig": zu Gute kommend.
"empfangt": eigentlich "nehmt". Bundesvollzug Annehmen, in-Empfang-Nehmen, Reinnehmen.

 

hauchen: ist ein Ritus. Auch bei unserer Taufe. Sinnhaftes Zeichen der Übermittlung.

 

heilig: Der Mensch ist ein Triebmensch, will haben, gelten und sein. Niemand kann diesen Trieb abtöten. Heiligen heißt nun, dass jemand, der dir etwas gilt, etwas zumutet, nämlich mit deiner Begabung zu Gute zu kommen. Dann ist dein Trieb geheilt (geheiligt), der Geist ist heiligend. Geheiligt und heiligend im Deutschen beides zu „heilig“ verkürzt.

 

wem ihr die Sünde vergebt (nachlasst): Sünde: Verfehlung des Gehorsams des Knechts. Bezug auf den vierten Tag: die Völker sind in Verfehlung, denen soll man ein Segen sein. Man soll

-         Sünden aufdecken und anklagen

-         den Tod als endgültige, ausgemachte Sache anzeigen

-         Hoffnung verkünden, Begnadigung eröffnen

-         dafür Zeuge sein, Beispiel geben

 

Sünden „nachlassen“ heißt: Segen sein, zu sagen, dass von Gott her vergeben wird.

 

...dem sind sie verweigert: steht im Original nicht da! Da stehen tut: „festhalten“. D.h. man muss darauf beharren, dass etwas Sünde ist, muss sie zeihen. Begnadigung steht im Hintergrund bereit, es muss aber Reue da sein.